Eines der Spitzenbauwerke von Alois Pilc, das im neu entstehenden Villenviertel in der Nähe des Parks Michalov in Přerov realisiert wurde, hält dank seinen reinen Formen und ausgeglichenen Proportionen, die alle fünf von Le Corbusier festgestellten Punkte der modernen Architektur erfüllen (freier Grundriss, freie Vorderfront, Tragpfähle, Bandfenster und Dachterrassen) den Vergleich mit Arbeiten der führenden tschechischen Giganten des Funktionalismus stand; es zeichnet sich auch durch eine praktische Zweigenerationendisposition aus, die den Bewohnern im Bedarfsfall die benötigte Privatsphäre gewähren konnte. Das Ehepaar Henik ließ den ersten Plan für sein Haus bereits 1932 entwerfen, und zwar beim Olmützer Architekten Karel Štajgr, dem Autor einiger hiesiger Villen. Der Entwurf blieb letztendlich nur auf Papier, er beeinflusste jedoch die folgende Konzeption von Pilc. Der Bau ist eher unter dem Namen Villa von Jindřich Lančík bekannt. Der Neffe des Mitgliedes des Stadtrates und zukünftigen Bürgermeisters von Přerov František Lančík, kümmerte sich als Jurist um die Familienangelegenheiten des Ehepaars Henik. Er kam sich mit ihrer Tochter Emma näher, seiner zukünftigen Ehefrau. 1934 hatte er Vertrauen seines Schwiegervaters gewonnen, der ihn zu seinem Erben und Vermögensverwalter ernannte. Als ehemaliger Soziologie-, Psychologie- und Ästhetikstudent geriet Jindřich Lančík ins kulturelle Umfeld des Amateurvereines Tyl, wo er sich mit dem Bühnenbildner und Architekten Alois Pilc befreundete. Dank dieser Konnexion bekam der Architekt die Möglichkeit, sein Spitzenwerk zu schaffen. Auf die lange abfallende Parzelle platzierte er zwei ungleich hohe sich in der Diagonale der Ecken berührende Quader – das war bereits das Projekt von Karel Štajgr. Die dezente Verbindung der Blöcke war nicht unbedeutend – die Villa sollte als Zweigenerationenhaus mit zwei getrennten Wohneinheiten dienen, wobei die kleinere für das Ehepaar Henik, die größere für Familie Lančík bestimmt war. Diese einfache Problemlösung mit Hilfe von Grundrissunregelmäßigkeit fand Pilc funktionsfähig und befolgte sie auch in seinem Projekt. Den über die Hälfte zählenden Teil des deutlich erhöhten Souterrains des niedrigeren der beiden Quader ersetzte der Architekt dadurch, dass der Wohnteil auf zylindrischen Pfählen gebaut wurde. Durch das Nivellieren des Terrains schuf er einen kontinuierlichen Durchgangsraum von der frei gestalteten Hauptvorderfront aus bis in den Garten. Die reich gestaltete ihren Blick zum Süden richtende Fassade zeichnet sich durch einen Wintergarten im Block der Henik-Wohnung aus, dessen Dach mit seiner ganzen Fläche als eine riesige Terrasse dient. Aus dem Erdgeschoss der Wohnung von Familie Lančík tritt ein durch Pfähle gestützter Erker mit geknicktem Bandfenster hervor, mit dessen Hilfe der Architekt gleichzeitig eine überdachte Gartenterrasse schuf. Das aus dem Zusammentreffen der beiden Quader strömende Treppenhaus verbindet die Wohnteile mit dem sorgfältig komponierten Terrassengarten. Jede Wohnung verfügt über einen eigenen Eintritt mit Vorzimmer und Eintrittshalle, gemeinsam haben sie nur Treppenhäuser, Terrassen und den Garten. Aus der Halle im Erdgeschoss beider Wohnungen laufen die einzelnen Räume hinaus – bei der größeren der beiden Wohnungen sind es die Küche, die Speisekammer, die Anrichte und ein geräumiges Zimmer, dass nur durch einen Stahlbeton-Träger mit Schiebewand gegliedert ist. Im Obergeschoss befinden sich drei Schlafzimmer mit Zugang auf die östliche Terrasse. Die Villa für das Ehepaar Henik gehört zu den Spitzenwerken von Pilc. Ihre Qualitäten lassen den Vergleich zu den Bauten der tschechoslowakischen Giganten des Funktionalismus zu. Eine der ehemaligen architektonischen Dominanten von Přerov durchlief in der Vergangenheit unsensible Baueingriffe, wegen der sie den durch Pfähle getragenen luftigen Raum sowie die Dachterrasse verlor. Eine Rehabilitierung ist jedoch immer noch möglich, ohne Denkmalschutz muss sich ihrer ein aufgeklärter Investor entledigen. IM (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 24–37.
MM [Martina Mertová], Vila Jindřicha Lančíka, in: Pavel Zatloukal (Hg.), Slavné vily Olomouckého kraje, Brno 2011, S. 137–138. Quelle Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov. Architektura jako scéna (Bachelorarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2015. Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov. Architektonická centra a periferie (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2018.