Kreditgenossenschaft Vorschusskasse

Přerov

Das sich im Stadtzentrum unweit des T.-G.-Masaryk-Platzes befindende Objekt der Kreditgenossenschaft Vorschusskasse stellt ein Beispiel dekorativer Tendenzen in moderner Architektur der 1920er und 1930er Jahre dar. Der hiesige Baumeister und Architekt Robert Motka entwarf für die älteste Vorschussanstalt in Mähren ein modernes repräsentatives Gebäude mit einer charakteristischen gegliederten Fassade. 

Das Gebäude der Vorschusskasse ließ das älteste von den Gewerbetreibenden gegründete Geldinstitut in Přerov bauen, das gleichzeitig die älteste Vorschusskasse in Mähren war. Gerade die Entstehung der Vorschusskasse in Přerov (1861) gab Anstoß zur Gründung weiterer mährisch-schlesischer Vorschusskassen. Sie wurde zur Beschützerin nicht nur der Landwirtschaft, des Geschäftes, Gewerbes und der Industrie, sondern auch des Kulturlebens mittels Unterstützung einer Reihe von Vereinen einschließlich des Sokol-Vereins. Dank finanzieller Unterstützung der Vorschusskasse wurde in Přerov auch das Stadthaus (Městský dům) gebaut, in dessen Nähe die Kreditgenossenschaft ihr eigenes repräsentatives Vorschusskassengebäude direkt gegenüber der Laurentiuskirche bauen ließ. 

Für den Bau wurde der hiesige Baumeister und Architekt Robert Motka ausgesucht. Im Přerov der Vorkriegszeit war er einer der drei bedeutendsten Vertreter modernen Bauwesens und Architektur, der öffentliche Gebäude, Industriebauten sowie private Villen umsetzte. In der Fassade der Vorschusskasse sind Einflüsse der einheimischen Dekorativströmungen sichtbar, aber auch beispielsweise des holländischen Neoplastizismus. Es kann auch angenommen werden, dass Motka seine Inspiration in den Gebäuden des Post- und Telegrafamtes in derselben Straße vom Brünner Architekten Miloslav Kopřiva aus den Jahren 1923 bis 1926 fand, die Elemente des Konstruktivismus, des nationalen Stils, aber auch Züge der Industriearchitektur in sich tragen. 

Der vierstöckige Reihenbau hat einen Dreiflügelgrundriss, der den Innenhofplatz umschließt. Die erwünschte Plastizität wurde der symmetrischen Vorderfront besonders durch die Seitenrisalite mit abgerundeten Innenkanten aufgedrückt, deren Form auch durch die durchlaufenden Eckfenster kopiert wurde. Rundliche Formen erscheinen auch im Detail, wie etwa beim Lisenenrahmen, der in der Mittelpartie der Vorderfront die Fenster des ersten und zweiten Geschosses umschließt. Das reich verglaste Parterre mit großen Fenstern, hinter den sich die Amtsräume befanden, wurde durch Reliefs mit Allegorien der Industrie, Sparsamkeit und Landwirtschaft vom Schüler des Josef Václav Myslbek František Mádle ergänzt. Amtsräume waren noch im ersten Stockwerk zu finden, während sich in den restlichen zwei Geschossen Beamtenwohnungen befanden. Ein Teil der Innenräume wurde durch Decken-Stuckdekorationen verziert. 

1948 führte der Baumeister Vladimír Samohýl aus Přerov einige Dispositionsumgestaltungen durch. Im Laufe der Jahre kam ein rücksichtsloser robuster Anbau dazu, der die Proportionen des letzten Geschosses veränderte. Auch das Parterre erfuhr eine Umgestaltung, während der es mit einer vorgeschobenen Glasfläche ohne deutliche Gliederung versehen wurde, glücklicherweise wurden jedoch die Sandsteinreliefs erhalten. Nach der Kreditgenossenschaft Vorschusskasse hatte hier für kurze Zeit die Moravskoslezský průmysl kamene (deutsch Mährisch-schlesische Steinindustrie) ihren Sitz, folglich kehrte der Bau zu seinem ursprünglichen Zweck zurück, als hier die Investiční banka (deutsch Investitionsbank) ihre Basis fand; zurzeit residiert hier die Československá obchodní banka (deutsch Tschechoslowakische Handelsbank). Das Objekt steht seit 1995 unter Denkmalschutz. 

TH (Übersetzung HJM)


 

Literaturauswahl

Martina Mertová, Proměny Přerova mezi dvěma světovými válkami aneb Jak si vedli domácí a jak hosté v napínavém architektonickém zápasu, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 8–23.

Vladimír Šlapeta – Pavel Zatloukal, Moderní architektura v Přerově, Památky a příroda 3, 1981, S. 129–140.

Pavel Zatloukal, K přerovské moderní architektuře, Kultura Přerova XXIII, 1980, Nr. 11, S. 169–170.

Jan Jirka, Úvěrní spolek záložna v Přerově, in: Josef Kovařík – Jan Kratoň – Bedřich Jelínek (Hrsg.), Přerov: Přerovsko-Kojetínsko, Brno 1933, S. 137–138.



Quellen

https://pamatkovykatalog.cz/zalozna-19008615

Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und –Geschichte FFUP, Olomouc 2004, S. 37–38.