Der monumentale blendend weiße Neubau am Ufer des Flusses Bečva (deutsch Betschwa) macht bis heute einen bemerkenswerten Eindruck und wirkt durch seine hohe ästhetische Qualität. Das horizontale Stahlbetonbauwerk wurde mit starkem städtebaulichen Raumempfinden entworfen. Jeder Flügel hat eine unterschiedliche Funktion, welche die Architekten auch nach außen projizierten. Obwohl sich am Bau drei Architekten beteiligten und dieser durch kubische Massen deutlich gegliedert ist, harmoniert die Sokol-Turnhalle als Ganzes im Geiste des Funktionalismus durch ihre klare Gestaltung und weiße Fassade ohne unnötige Verzierungen.
Der Verein in Přerov, einer der ältesten Sokol-Vereine, wurde 1871 gegründet und ließ seine erste Turnhalle zwischen 1896 und 1897 bauen. Kurz darauf erfüllte die alte Sokol-Turnhalle nicht mehr die Erwartungen der großen Mitgliederbasis (1 490 Mitglieder), sodass der Vereinsausschuss entschied, eine neue Turnhalle am gegenüberliegenden rechten Ufer des Flusses Bečva vor dem Stadion zu bauen. Die Baustelle wurde noch nach dem Abriss der alten Schule und des Gasthauses „Na špici“ erweitert. 1926 schrieb der Sokol-Verein einen öffentlichen Wettbewerb aus, von den 47 eingegangenen Entwürfen gewann 1927 der Prager Architekt Karel Caivas den ersten Preis, der einen Bau im Geiste des holländischen Neoplastizismus entworfen hatte.
Wegen limitierten Finanzmitteln des Vereines (die Kosten wurden bis zur Höhe von 2 Millionen beschränkt) überarbeitete Caivas auf seinen Wunsch zweimal die Pläne. Den Entwurf der Sokol-Turnhalle bearbeiteten schließlich noch die hiesigen zwei Architekten und Bauherren Chroust und Andrlík, selbst aktive Mitglieder des lokalen Sokol-Vereines. Im Kern erhielten sie das Projekt, sie befreiten es jedoch konsequenter vom überflüssigen Dekor und kostspieligen Konstruktionen, womit sie die ursprüngliche konstruktivistische Gestaltung noch mehr einer rein funktionalistischen näherbrachten. Der Bau der Sokol-Turnhalle begann 1935 und für die Öffentlichkeit wurde er am 13. 9. 1936 eröffnet.
Der östliche mit dem Bečva-Ufer gleichlaufende dreigeschossige Flügel respektiert die ursprüngliche von Caivas entworfene Variante gegliederter kubischer Massen mit vielen Fensteröffnungen von unterschiedlichen Größen und Formen. Der westliche Flügel einschließlich des Verbindungshalses trägt bereits die Handschrift von Chroust und Andrlík mit angeeigneten funktionalistischen Prinzipien. Dieser fünfstöckige Teil steht auf einem unregelmäßigen Grundriss, der den von der Tyrš-Brücke in leichter Kurve führenden Straßenabzweig kopiert. Das erste Geschoss des westlichen abgerundeten Teiles wird durch ein durchlaufendes Bandfenster beleuchtet.
Das unterschiedliche Aussehen der beiden Teile spiegelt ihre Funktion wider. Im rechten westlichen Flügel befand sich im Souterrain ein Vortrags- und Puppensaal mit Vestibül, Umkleide- und Lagerräumen; ins Erdgeschoss hinter das Hauptvestibül platzierten die Architekten die durch zwei Stockwerke laufende Turnhalle mit Räumen mit Turngeräten und einem kleinen Saal. Im Obergeschoss ist außer des Turnhallenraumes auch eine Zuschauergalerie und ein Beratungsraum zu finden. In den linken östlichen Flügel wurde ein Kellergeschoss mit Heizungsraum platziert, ins Souterrain dann ein Restaurant und seine Betriebsabteilung sowie ein Gesellschaftsraum. Im Erdgeschoss wurde der Restaurantteil fortgesetzt, gleichzeitig entwarfen hier die Architekten administrative Räume. Weitere Büros und das Archiv befanden sich auch im Obergeschoss gemeinsam mit der Terrasse des Restaurants, und im Teil des Verbindungshalses wurde die Baumasse um ein Dachgeschoss mit Herbergen erhöht.
Das Objekt der Sokol-Turnhalle behielt bislang seinen ursprünglichen Charakter. Es dient auch immer noch der Leibeserziehung des heutigen Sokol Přerov, sowie auch für Kulturzwecke, Puppentheater und einen Restaurationsbetrieb. 2001 wurde das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt und erfuhr anschließend unter Aufsicht der Denkmalpflege eine empfindliche Sanierung. Die Fassaden mussten wegen extensiver Beschädigungen nach dem Hochwasser von 1997 renoviert werden – damals stand das Wasser 1 m oberhalb der Umkleideraumebene. Im Teil des Objektes wurden die Aluminiumfenster ausgetauscht und renoviert, womit die Sokol-Turnhalle ihre ursprüngliche Farbigkeit und Gestalt zurückgewann. Die durch viele Fensteröffnungen gegliederte monumentale weiße Fassade bleibt der Stolz des Přerov der Zwischenkriegszeit.
TH (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
Martina Mertová, Proměny Přerova mezi dvěma světovými válkami aneb Jak si vedli domácí a jak hosté v napínavém architektonickém zápasu, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 8–23.
Jan Pavlíček, Budovali jsme finanční základy nové sokolovny, in: Památník pětasedmdesátého výročí tělocvičné jednoty Sokol Přerov 1871–1946, Přerov 1946, S. 75–77.
Stanislav Andrlík, Vzpomínka na stavbu sokolovny, in: Památník pětasedmdesátého výročí tělocvičné jednoty Sokol Přerov 1871–1946, Přerov 1946 S. 77–78.
Jak bude vypadat nová přerovská sokolovna, Haná XXI, 1930, Nr. 21, 26. 1., S. 4–5.
Sokol Přerov připravuje stavbu nové sokolovny, Haná XXI, 1930, Nr. 15, 19. 1., S. 4.
Quellen
https://www.pamatkovykatalog.cz/nova-sokolovna-14445888
http://sokolprerov.cz/nase-historie/
Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und –Geschichte FFUP, Olomouc 2004, S. 58–60.