Der modernistische Anbau der Staats-Industrieschule, der sowohl den Werkstatt- als auch Wohnbetrieb in sich verbindet, stellt eines der besten Beispiele kultivierten Schaffens eines regionalen Autors dar, der an der Schule tätig war, über die zeitgenössische Architektur einen guten Überblick hatte und für die Stadt eine Reihe von Projekten hoher Qualität ausarbeitete.
1888 begann die Geschichte der Industriemittelschule in Přerov, als die Zentralkommission für das Industrieschulwesen in Wien die Errichtung von K. u. k. Maschinenfachschule genehmigte. Bereits 1890 erwarb die Schule eine Feldparzelle zwischen dem Gymnasiumgebäude und der Brauerei, auf der zwischen 1913 und 1914 das heutige vierstöckige historische Schulgebäude mit eklektischer Fassade aufschoss. 1919 wurde sie zur Staats-Industrieschule umbenannt. Infolge ihrer Popularität, die der Tatsache entsprang, dass hier außer Maschinenkunde und Industrielehre seit 1920 auch Bauwesen und zuletzt auch feine Mechanik und Optik unterrichtet wurde, kamen die ersten Probleme mit der Schulkapazität. Es ist hier zu bemerken, dass von hier aus der Impuls zur Gründung der Gesellschaft Optikotechna kam, die ein starkes Industrieunternehmen in Přerov darstellte. 1931 entwarf der hiesige Professor und Architekt Vlastislav Chroust den Bau eines Wohngebäudes für die Angestellten der Schule und einen einstöckigen Werkstättenanbau, dessen Masse er mit dem historisierenden Bau verband. Chroust absolvierte die Tschechische Technische Universität in Prag und in Přerov beteiligte er sich besonders an Projekten von Mietshäusern, er war jedoch auch einer der Baumeister der Sokol-Turnhalle. Während der Umsetzung wurde 1932 sein ursprüngliches Projekt von Ing. Holešovský abgeändert und der Bau wurde 1933 fertiggestellt. Chroust gestaltete im Anbau einfallsreich die typologisch ungewöhnliche Verbindung des Wohn- und Werkstattteiles. Mit immer noch sichtbaren Wurzeln im Purismus der 1920er Jahre brachte es der Autor fertig, einen Entwurf bereits in den aktuellen Formen des Funktionalismus vorzulegen. Chrousts ursprünglicher Entwurf knüpfte nur an das Erdgeschoss und das erste Stockwerk des historisierenden Gebäudes an, und zwar mit zwei breiten Fensterbänden des modernen Werkstättenanbaus. Später wurde der Werkstattteil um ein Stockwerk erhöht, das somit mit dem Kronsims des Wohnteiles auf die gleiche Ebene gebracht wurde. Der aus einem Trakt bestehende Werkstättenanbau verweist mit seinem Raster großer Fensterscheiben auf die industrielle Fabrikarchitektur. Der Wohnteil wurde als dreistöckiges Eckobjekt puristischen Charakters mit einer reich plastisch geformten Fassade entworfen. Die dominante Straßenvorderfront ist durch Flächenrisalit gegliedert, an den auf der Ebene des ersten und zweiten Stockwerkes Eckbalkons mit abgerundeten Kanten anknüpfen. Der Autor wiederholte die rundlichen Formen auf dem Eintrittswiderlager oder in den in den Hof gerichteten Wintergärten. Das einzige „Ornament“ der Fassade sind die Scheibenfenster und kleine Fenster von unterschiedlichen Größen. In jedem Geschoss mit viereckiger Disposition befand sich eine Wohnung einschließlich der Wohnung des Schuldirektors, die durch ein inneres aus dem Vorraum der Wohnung direkt zu den Werkstätten führendes Treppenhaus mit der Schule verbunden war. Anlässlich des Aufbaus des Werkstätten- und Wohnobjektes wurde auch die Innenausstattung des historischen Gebäudes modernisiert, was 1936 durch die Installation moderner Beleuchtung abgeschlossen wurde. Die Industrieschule verfügte somit über sieben Schulzimmer, einen physikalischen Saal, Werkstätten und Labors für Maschinenkunde sowie feine Mechanik und Optik, eine Schmiede, einen Modellraum, eine Tischlerwerkstatt, eine Gießerei, eine Nickel- und Chromanlage, eine Polieranlage, Material- und Modelllager sowie einige Lehrerzimmer und Büros. Im Laufe des zweiten Weltkrieges residierte im Gebäude das deutsche Heer und in den Werkstätten das Unternehmen Wikov aus Prostějov. In den Jahren 1955–1958 wurde der Anbau eines Stockwerkes des ursprünglichen Gebäudes realisiert und zwischen 1971 und 1972 erfuhren alle Teile der Industrie-Mittelschule eine Generalsanierung, die erneut 2002 ausgeführt wurde. Neulich wurden wegen Wärmedämmung alle Fenster ausgetauscht, es handelt sich jedoch um Kopien der ursprünglichen Füllungen einschließlich der Farbgestaltung. Obwohl auf der Hülle der Gebäude kleine Abänderungen nach den Sanierungen sichtbar sind, blieb die ursprüngliche Fassadengestaltung unbeschädigt. Der Anbau des Werkstatttraktes und des Wohngebäudes steht seit 1995 unter Denkmalschutz. TH (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
Klára Jeništová, Z Olešnice do Přerova. Dlouhá cesta přerovského architekta Vlastislava Chrousta, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 38–51. Jiří Lapáček, Střední průmyslová škola a technické školství, in: Jarmila Klímová (Hg.), Dějiny přerovského školství, Přerov 2012, S. 155–157. Vladimír Šlapeta – Pavel Zatloukal, Moderní architektura v Přerově, Památky a příroda 3, 1981, S. 129–140. Pavel Zatloukal, K přerovské moderní architektuře, Kultura Přerova XXIII, 1980, Nr. 12, S. 182–183. Veřejná soutěž, Haná XXIII, 1932, Nr. 73, 27. 3., S. 11. Quellen https://pamatkovykatalog.cz/pristavba-dilenskeho-traktu-a-obytne-budovy-532386 Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und –Geschichte FFUP, Olomouc 2004, S. 60–61.