Die Villa von Marie Andrášková stellt eines der Spitzenbeispiele der Zwischenkriegsarchitektur dar, die jenseits der Grenzen der strikt funktionalistischen Auffassung gelangt. Der Architekt Lubomír Šlapeta schaffte es in diesem Bauwerk, die organischen dynamisierenden Formen mit den streng rechteckigen in außergewöhnlicher Weise zu verbinden, und gleichzeitig passte er es perfekt in das bearbeitete Gelände in der Umgebung des Parks Michalov an.
Marie Andrášková, eine emanzipierte Unternehmerin mit Luxusschuhen, wählte für die Umsetzung ihrer Villa einen in Olmütz wirkenden Architekten aus – Lubomír Šlapeta. 1940 wurde sie durch seine beeindruckende, dynamische und organische Skizze eines an ein Ausflugsschiff erinnernden Bauwerkes erstaunt. Die allgegenwärtigen schiefen und rundlichen Linien, die sich völlig von der inländischen Produktion unterschieden, hatte sich Šlapeta besonders dank seiner direkten Zusammenarbeit mit den Professoren der Akademie in Breslau, Hans Scharoun und Adolf Rading, angeeignet. Für das dreistöckige (äußerlich einstöckige) Bauwerk wurde ein abfallendes Grundstück im Villenviertel am Park Michalov bestimmt, dessen Gelände der Architekt noch künstlich erhöhen ließ. Dank der organischen Gestaltung der Obergeschosse mit charakteristischen gerundeten Kanten und geräumigen Terrassen verschmolz das Bauwerk natürlich mit dem Gartengelände, aber auch mit der Szenerie des anliegenden Parks und der benachbarten Bebauung. Sein nautischer Charakter wurde außer den Rohrgeländern der Terrassen auch durch das geringere Ausmaß des ersten Stockes – der „Schiffsbrücke“ – mit gebogenem Grundriss und durchgebogenem Halbdach gesteigert. Im Unterschied zu der ursprünglichen Skizze eines transparenten entlasteten Baus ist der architektonische Endausdruck mehr robust, den im Scharoun-Stil gestalteten Formen bereits entfernt. Der Architekt arbeitet mit tektonischen Elementen, beispielsweise mit organisch geformten „Strebepfeilern“ aus weißen Verblendziegeln. Die Platzierung auf erhöhtem Gelände sowie die rundlichen hohen Mauern des Erdgeschosses lassen an eine beinahe uneinnehmbare Festung erinnern. Ähnlich wie bei der Villa von Karel Kovařík schützte die durch volle Baumassen verstärkte Robustheit der Häuser ihre Bewohner zumindest symbolisch vor den Gefahren des Krieges. Zum Zentrum des gesellschaftlichen Teiles des Erdgeschosses wurde die geräumige reich gegliederte Wohnhalle mit Speisezimmer, Musikecke und Wintergarten, der eindrucksvolle Panoramaausblicke durch eine voll verglaste halbkreisförmige Wand bot. In der Mitte des Raumes befand sich ein in den ersten Stock, den Schlafzimmerstock führendes Treppenhaus. Durch den Rücksprung des Grundrisses entstand ein selbstständig zugängliches Etagenappartement. Ausgenutzt wurde auch das erhöhte Souterrain. Die Gestaltung und Ausstattung eines wesentlichen Teiles der Innenräume bearbeitete ebenfalls der Architekt Šlapeta. Die Villa befand sich bis 1992 im Besitz der Familie, damals wurde sie an die gegenwärtigen Eigentümer verkauft. Bis heute erfüllt sie ihre Wohnfunktion und befindet sich im sehr gut erhaltenen Zustand. 1995 wurde sie zum immobilen Kulturdenkmal ernannt, obwohl sie in den vorigen Jahrzehnten einige Teilsanierungen erfahren hatte. NK
Literaturauswahl
Vladimír Šlapeta – Pavel Zatloukal, Moderní architektura v Přerově, Památky a příroda. Časopis státní památkové péče a ochrany přírody, 1981, Nr. 3, S. 129–147. MM [Martina Mertová], Vila Marie Andráškové, in: Pavel Zatloukal (Hg.), Slavné vily Olomouckého kraje, Olomouc 2007, S. 153–155. VŠ [Vladimír Šlapeta], Vila Marie Andráškové, in: Petr Pelčák – Vladimír Šlapeta, Lubomír Šlapeta – Čestmír Šlapeta. Architektonické dílo/Architectural work 1908–1983, Brno 2003, S. 177. Quellen https://pamatkovykatalog.cz/rodinny-dum-19009061