Der „Lichtpalast SME“, die erste Umsetzung radikalen Funktionalismus´ in Přerov, die vom berühmten Brünner Architekten Bohuslav Fuchs, gebürtig aus der naheliegenden Gemeinde Všechovice, entworfen wurde, wurde nicht nur zum bisher markantesten Unternehmensgebäude im Stadtzentrum, sondern auch zur hervorragenden Werbung für die progressive Leitung der Mittelmährischen Kraftwerke (tschechische Abkürzung SME – Středomoravské elektrárny), welche das Haus für Geschäfts-, Administrativ- sowie Wohnzwecke plante.
Die exponierte Parzelle gegenüber dem Bahnhof sollte nach dem ursprünglichen Auftrag zwei Neubauten umfassen, die die Reihe der Straßenfront ergänzen würden – das Kaufhaus SME im rechten Drittel und das Hotel Lipner in den beiden restlichen Dritteln. Fuchs entwarf jedoch – im Einklang mit dem genehmigten Regulationsplan – die Bebauung des ganzen Blocks in Form eines spitzen Trapezes. Die gegenüberliegende Front wäre dann durch zwei Wohnhäuser von gleicher Höhe gebildet, der Innenhof wäre durch eine überdachte Großstadtpassage durchschnitten. Schematisch entwarf Fuchs auch die neue Massenanordnung der Ecke mit konkav eingebogener Mitte und einem Durchgang ins Grüne des Hofraumes. Das Dach der Passage im Blockinneren war Bestandteil einer größeren Fläche der Bedienungsflachhallen, beispielsweise der Garagen. Während der Palast SME im Jahre 1930 umgesetzt worden war, wurde das Hotel Lipner aus unbekannten Gründen erst 1934 nach dem Entwurf von F. J. Leopold, einem „Hotel- und Gaststättenarchitekten“ aus Prag gebaut, der im Hinblick auf den architektonischen Stil einen Schritt zurück bedeutete. Der restliche Teil von Fuchs´ Vision wurde gar nicht umgesetzt.
Das dreistöckige Gebäude von SME mit Mezzanin und einem zur Hofseite eingeschobenen und durch eine geräumige Terrasse ergänzten Dachanbau wurde nicht mit Hilfe eines Stahlbetonskelettes konstruiert, sondern eines mit hohlen Ziegeln ausgemauerten Stahlskelettes, das weniger gewöhnlich und mehr kostspielig war. Die „Tiefen“-Anordnung der Träger in fünf Reihen übertrug sich in den Rhythmus der in vier gerade Teile aufgeteilten Straßenvorderfassade, die jedoch dank einer durchdachten Gliederung (Abnahme) von Masse nicht fad wirken – auf der Ebene vom ersten bis dritten Stock fluchtet die Fassade mit der Vorderfront des Nachbarhauses, in der Mezzaninpartie, quer durch die gesamte Gebäudebreite und im Falle der Loggien und der ursprünglich als Passage in die Straßenfront konzipierten Unterführung geht sie zurück. Fuchs gestaltete die Vorderfrontoberfläche teilweise mit exklusivem weißen Opaxit, zum größten Teil mit hellem Kunstverputz. Besonderen Nachdruck legte er auf die Verglasung dieses „Lichtpalastes“, darum wandte er geräumige in die Oberseite der Fassade bestückte Bandfenster und großzügige Glasvitrinen im Parterre an. Die Hoffassade klang im Gegensatz dazu mehr robust aus. In ihre Form übertrug sich das herausragende Prisma des Treppenhauses, das in seiner gesamten Höhe mit Glasbeton beleuchtet und mit Personalaufzug gesäumt war.
Hinter den Auslagen im Erdgeschoss befand sich die Hauptverkaufsstelle mitsamt der Exposition von Unterhaltungselektronik, die durch Wendeltreppe mit dem Direktionssitz im Mezzanin verbunden war. Die oberen Stockwerke konzentrierten Büros des Unternehmens und Wohnungen, das Dachgeschoss war für ein Atelier ausgespart.
Den Bau des „Palastes“, der bisher in der Stadt einzigartig war, verfolgten die hiesigen Einwohner mit Eingenommenheit und äußerten sich dazu häufig in der lokalen Presse. Ihre Begeisterung bringt beispielsweise der folgende Beitrag im Blatt Haná nahe: „… wenn Tausende von Glühbirnen und elektrischen Körpern ihre Lichter in die Husova [Straße] richten und die elektrischen Augen weit und breit über die dunklen Straßen der Stadt bohren, erst dann machen wir uns eine klare Vorstellung davon, welchen Zweck und Propagationswege die Direktion von SME verfolgte… Großartiger Anstrich, riesige Fensterglasstreifen und überhaupt erst der modern behandelte Stil großer freier und ungehinderter, unbelasteter Räume… Im elektrischen Aufzug fliegen wir durch das Mezzanin, das erste, zweite und dritte Stockwerk und geraten in den fünften Stock, der sich nur in den Innenhof hinein ausdehnt, während er über eine geräumige Terrasse gegenüber der Bahn verfügt, die ebenso gut als ein Naturballettsaal, als ein hängender Ziergarten dienen könnte… Přerov wird vor Fremden mit einem neuen glühenden Schmuckstück prahlen können.“
In seiner Grunddisposition blieb das Bauwerk bis heute unverändert; es fehlt jedoch eine Reihe von Details, die seine Gestalt bestimmten (die Opaxit-Verkleidung wurde entfernt, die Fenster durch Plastikfenster ersetzt, die Passage wurde unzugänglich gemacht usw.). 2011 wurde die Fassade saniert und gedämmt, womit ihre ursprüngliche, für den Funktionalismus charakteristische Flächenheit zum Großteil verhüllt wurde. Die Sanierung verlief also mit Hinsicht auf den Denkmalschutz des Objektes und seine Bedeutung in der Geschichte der tschechischen modernen Architektur nicht optimal. Ihre Vorteile sind jedoch bisher die erneute Nutzung des Parterres, die Farbigkeit und der Charakter der gewählten Verputze sowie die Erneuung der ursprünglichen – blauen – Farbigkeit überall dort, wo es die entblößten Konstruktionen noch ermöglichten.
AW (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
Martina Mertová, Proměny Přerova mezi dvěma světovými válkami aneb Jak si vedli domácí a jak hosté v napínavém architektonickém zápasu, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 8–23.
Iloš Chronek, Architekt Bohuslav Fuchs, Brno 1995.
Pavel Zatloukal, K přerovské moderní architektuře, Kultura Přerova, 1980, S. 182.
Zdeněk Kudělka, Bohuslav Fuchs, Brno 1966, S. 126.
-lský-, Deset minut ve světelném paláci SME v Přerově, Haná 1930, Nr. 152, 5. 7.
Obchodní dům Středomoravských elektráren (SME) v Přerově. B. Fuchs, Stavitel 14, 1933–1934, Nr. 8–9, S. 114–115.
Quellen
https://pamatkovykatalog.cz/cinzovni-dum-energeticke-spolecnosti-19009662
https://www.archiweb.cz/b/ustredni-a-obytny-dum-stredomoravskych-elektraren (abgerufen am 28. 1. 2024)
Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und –Geschichte FFUP, Olomouc 2004, S. 32–34.