Das von den Brünner Architekten nach dem Prinzip der stark horizontalen Pavillons entworfene, überraschend unpompöse Schulgebäude zeichnet sich durch eine übersichtliche materielle Gliederung und zweckmäßige Spiegeldisposition aus, die eine bequeme Nutzung durch zwei Schulinstitutionen sichert. Mit seinen geräumigen Bandfenstern, Kachelstreifenverkleidung und seiner allgemein reinen, die Industriebauten evozierenden architektonischen Auffassung brachte es nach Přerov den Geist des Brünner Funktionalismus.
Es gab immer mehr schulpflichtige Kinder in Přerov, die Kapazitäten waren nicht zureichend und die enorme Fragmentierung in vielen Gebäuden und Übergangslösungen war bereits unhaltbar, daher entschloss sich die Stadt ein neues modernes Schulgebäude zu bauen. Für den Neubau wurde der ausgedehnte Platz der ehemaligen nach 1925 eingegangenen Kulka´s Maschinenbaufabrik in der Nähe des Bahnhofes ausgewählt und 1930 wurde ein öffentlicher Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Insgesamt trafen 24 Entwürfe ein, wobei der erste Preis nicht verliehen wurde, es wurden jedoch zwei zweite Preise verliehen – das Projekt von Mojmír Kyselka aus Brünn und der andere Entwurf von Josef Kittrich und Josef Hrubý aus Prag. Beide Projekte schlugen das niedrige Pavillonsystem hochentwickelten funktionalistischen Charakters vor. Der anschließende Wettbewerb zwischen den beiden zweiten Plätzen, in dem sich Kyselka Josef Polášek angeschlossen hatte, entschied zu Gunsten gerade dieses Paares. Josef Polášek gehörte genauso wie Mojmír Kyselka zu den führenden Vertretern des Brünner Funktionalismus. Er entwarf eine Reihe von Schulgebäuden, in denen er neue Erkenntnisse über die Konstruktionen der sog. offenen Schulen verwertete, die er während seiner Hollandreise gewonnen hatte. Er nutzte die Durchlüftung und Beleuchtung für die absolute Zweckmäßigkeit der Schulgebäude mit einem Minimum an Architekturmitteln aus. Die Pläne der Schulen in Přerov wurden aufgrund der Bemerkungen des Stadtrates und des Landesamtes, aber auch wegen Finanzmangels mehrmals geändert, bis 1933 der Bau der ersten reduzierten Etappe der allgemeinen Jungen- und Mädchenschule beginnen konnte. Es sollte beachtet werden, dass die nächsten Etappen, in denen zwei Pavillons für die bürgerliche Mädchenschule und die Schule für Frauenberufe entstehen sollten, schließlich nicht realisiert wurden. Am 2. September 1934 wurde das Gebäude mit dem linken Teil der Mädchen- und dem rechten Teil der Jungenschule an die Öffentlichkeit übergeben. Auf der Fassade des modernen Neubaus erschien kurz danach die Aufschrift Comenius-Schulen als seine neue offizielle Bezeichnung. Im ursprünglichen Entwurf lösten die Architekten das Schulareal in Form von drei Gruppen von aneinander anknüpfenden niedrigen Pavillons, welche halboffene Atrien bildeten. Das als einziges realisierte dreistöckige Gebäude stellt ein bedeutendes Beispiel der funktionalistischen Grundsätze und der Bemühungen um Rationalisierung mit übersichtlicher und durchdachter Disposition, klarer Gliederung der Blockmassen und modernster Ausstattung dar. Die auf dem Grundriss des Buchstaben T stehende Schule besteht aus dem Hauptteil, wo sich zwei selbstständige Eingänge und zwei Treppenhäuser befinden, die durch zwei symmetrische Seitenflügel begleitet werden. In der Vorderfront ist über dem Eingang, der mit schwarzen Kachelstreifen versehen ist – dem einzigen Fassadendekor – eine große gemeinsame Terrasse zu finden. Im Kellergeschoss wurde Raum für den Kindergarten, Kabinette und Betriebseinrichtungen errichtet. Im Erdgeschoss und dem ersten Stockwerk befanden sich insgesamt zwölf spiegelbildliche in Richtung Osten orientierte und mit einem ins Zentrum des Gebäudes zusammenlaufenden Gang verbundene Klassenzimmer. In das Erdgeschoss bauten die Architekten die Wohnung des Schulmeisters ein und in den ersten Stock des Hauptsegmentes zwei Direktorzimmer und Lehrerzimmer. Im hinteren Trakt wurde die gemeinsame Turnhalle mit getrennten Umkleideräumen und Duschen platziert. Jedes Klassenzimmer war für 48 Kinder bestimmt. Auch ein großer Schulgarten mit einer Fläche von 458 m2 durfte nicht fehlen. 1983 wurde die Fassade in ihrer Gliederung sowie Farbigkeit neugestaltet und die Fenster ausgewechselt, womit der funktionalistische Charakter des Gebäudes beträchtlich verletzt wurde. Trotzdem gelang es 2001 das Objekt unter Denkmalschutz zu stellen. Im Jahre 2018 durchlief die Schule eine grundsätzliche Rekonstruktion, als sie unter Aufsicht von Vertretern der Denkmalpflege ihre ursprüngliche Gliederung durch blaue Bandfenster zurückgewann, sowie ihre weiße Fassade und Kachelstreifenverkleidung. Derzeit ist die Realisation Bestandteil des Gebäudekomplexes des Jan-Blahoslav-Gymnasiums. TH (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
Jarmila Klímová, Obecná škola dívčí Komenského, in: idem (Hg.), Dějiny přerovského školství, Přerov 2012, S. 41–43. Vladimír Šlapeta – Pavel Zatloukal, Moderní architektura v Přerově, Památky a příroda 3, 1981, S. 129–140. Pavel Zatloukal, K přerovské moderní architektuře, Kultura Přerova XXIII, 1980, Nr. 12, S. 182–183. Quellen Základní škola, Památkový katalog, https://pamatkovykatalog.cz/zakladni-skola-15592608, vyhledáno 4. 1. 2024. Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und -Geschichte FFUP, Olomouc 2004, S. 55–57.