Der Bautyp der Sokol-Turnhallen gehörte zu den beliebtesten Aufträgen des Architekten Alois Pilc. Pilc als Sokol-Mitglied, der die Bedürfnisse der Leibeserziehung und des Betriebes der Turnstände gut kannte, wurde in Mittelmähren zu ihrem nachgefragten Projektanten. Die Sokol-Turnhalle in Kojetín gehörte zu seinen meist gelungenen. Sie fand einen großen Widerhall in der Zeitpresse, wo sie neben anderen auch vom Autor selbst besprochen wurde.
Im Jahr der Umsetzung des Sokol-Standes in Lipník nad Bečvou knüpfte Pilc parallel mit dem Projekt seiner zweiten Sokol-Turnhalle in Kojetín an. Die Sokol aus Kojetín gründeten die Genossenschaft für den Bau der Sokol-Turnhalle bereits nach dem Ende des ersten Weltkrieges, 1921 kauften sie ein Grundstück in der Nähe des Bahnhofes. Geführt vom Verlangen nach einem repräsentativen Bau wandten sie sich zunächst an den Prager Architekten František Krásný, den „Sokol-Hofarchitekten“, dessen Plan sie jedoch wegen zu hohem Budget nicht umsetzten. Im Jahre 1926 schrieb die Organisation einen beschränkten Wettbewerb aus, an dem sechzehn Interessenten teilnahmen. Die Vereinsleitung erklärte nach „Reisen zu verschiedenen Sokol-Turnhallen“ und nachdem sie das Handbuch „O stavbách sokoloven a hřišť˝ [Von den Bauten der Sokol-Turnhallen und Sportplätzen] durchstudiert hatte, den Entwurf des Přerover Architekten Alois Pilc für Gewinner. Gerade mit dieser Umsetzung begann seine vielversprechende Karriere eines „Architekten von Sokol-Turnhallen“. Pilc setzte das einstöckige Gebäude in einen länglichen asymmetrischen Grundriss. Die Haupthalle wurde mit einem klassischen Satteldach überdacht, wobei der Baumasse des Turnsaals von außen verschiedene Risalitblöcke anliegen, diesmal bereits flachgedeckt abgeschlossen, oft als Umgänge oder Terrassen genutzt. Die ununterbrochenen Fensterreihen verraten die Lage des Hauptturnsaals. Die überwiegende Horizontalität des Baus wird noch durch plastische seine ganze Baumasse oder Teilpartien umarmende Gesimse unterstrichen. Der Autor evoziert mit ihrer Hilfe den modernen Geist des Baus, obwohl die meisten strukturellen Elemente, besonders die Fensteröffnungen, immer noch durch das traditionelle vertikale Prinzip beherrscht werden. Der Architekt verstärkte den Kontrast in der ursprünglichen, heute bereits nicht erhaltenen Darstellung, auch mit Hilfe der Farbgestaltung des Verputzes – im Erdgeschoss dunkel und grob, im Stockwerk hell und glatt. Den Eingang in die Sokol-Turnhalle platzierte der Architekt in Richtung in den Platz hinein. Das Herz des Inneren stellt der große Turnsaal mit einer Bühne dar, der mit Bedienungs- und Umkleideräumen umgeben ist. Der Bau der Sokol-Turnhalle wurde 1927 begonnen, für die Öffentlichkeit wurde sie am 5. August des folgenden Jahres geöffnet. Die feierliche Enthüllung der Statue der Sokolistin vom Bildhauer Julius Pelikán fand 1932 statt. Pilc reflektierte sein Projekt in seinem überhaupt ersten veröffentlichen Artikel vom 3. September 1928 im Blatt Kojetínské hlasy. Den Lesern wird seine Entwicklung von den „Ideenskizzen“ über deren Sieg im Architekturwettbewerb bis zur Umsetzung selbst vorgestellt. Seinen Kampf mit der idealen Lösung kommentiert Pilc wie folgt: „… die Vorderfront von dem Platz aus mit ungleichen Bodenhöhen machte mir viel zu schaffen, sodass ich vielmals vom Reißbrett fliehen musste“. Der Architekt zeichnete zunächst die perspektivischen und inneren Ansichten, persönlich kam er den Fortgang des Baus zu kontrollieren „gespannt, wie das Gebäude in den inneren Proportionen sowie den Baumassen der Ansicht ausfallen würde“. Ein wichtiger Aspekt war für ihn die Tatsache, dass das Projekt „allen möglichen Zwecken entspricht, praktisch und billig ist“, was zugleich eine der Bedingungen des Wettbewerbes war. Als Sokol-Mitglied fühlte Pilc mit dem Verein eine gehörige Ideenzusammengehörigkeit – man kann zum Beispiel lesen, er schaffe „unser gemeinsames Werk“. Er bemühte sich dabei in der Kleinstadt die modernsten architektonischen Trends durchzusetzen. Es gelang ihm, die Einwohner von Kojetín zu überzeugen, was seine Worte bezeugen: „Wenn Einigen von Anfang an die Gestaltung etlicher Flachdächer nicht gefallen hatte – vielleicht wegen der Ungewohntheit im Ort, habe ich mich davon überzeugt, dass ihre wohl geringen Besorgnisse bereits dann verschwanden, als der Bau im Sichtmauerwerk fertig war.“ Der Architekt, sich der Mehrfunktionalität des Objektes bewusst, lässt die Sokol-Turnhalle nach ihrer Fertigstellung „der Öffentlichkeit dienen“ im Glauben, sie „wird sicherlich zum kulturellen Zentrum der Stadt und ihrer Umgebung“. Die allgemein positive Aufnahme der Architektur wird durch zahlreiche Notizen in der Presse belegt, welche mit den Worten „anmutig“, „imposant“, „würdevoll“ nicht sparte – aber auch durch die Feststellung: „So wie die Sokol-Turnhalle von innen ein zweckmäßig gestaltetes Gebäude ist, so zeichnet sie sich auch von außen durch ein ruhiges und liebes Äußere aus“. In den relativ konservativen Geschmack von Kojetín brachte Pilc mit diesem Projekt zum ersten Mal eine gewagtere moderne Formenlehre, die teilweise der individualistischen Moderne botmäßig war, teilweise der purisierenden in ihrem Gesamtausdruck durch die holländische Architektur beeinflussten Ästhetik. Im Jahre 2004 erfuhr die Sokol-Turnhalle eine utilitaristische Sanierung. Die Instandsetzungen aus den Jahren 2018–2019 brachten sie zu ihrer ursprünglichen Zwischenkriegsgestalt zurück. Das Hauptziel des gefühlsvoll durchgeführten Projektes von Ing. Pavel Krampla war eine Gesamtrevitalisierung des Kulturhauses und seines Umfeldes. Die Hauptbemühung des Projektanten war es, die Nutzung von neuzeitlichen Bausystemen und Ansichtsmaterialien zu vermeiden. Für Kulturveranstaltungen gewann die Sokol-Turnhalle eine neue Theatertechnik sowie Ausstattung des Saals. Das Gebäude dient bis heute der Stadt als Kulturhaus, ein Teil der Sokol-Turnhalle wird weiterhin für Sportzwecke des hiesigen Sportvereins genutzt. IM (Übersetzung HJM)
LITERATURAUSWAHL Sokolské slavnosti v Kojetíně, Kojetínské hlasy 1928, 3. 8., S. 1. Kříž M., O stavbě sokolovny v Kojetíně, Kojetínské hlasy 1928, 3. 8., S. 3. Nová sokolovna v Kojetíně, Obzor 1928, Nr. 178, 5. 8., S. 1. Ferd. Venclík, Tělocvičná jednota Sokol v Kojetíně, in: Josef Kovařík – Jan Kratoň – Bedřich Jelínek (Hrsg.), Přerov: Přerovsko-Kojetínsko, Brno 1933, S. 18–19. Alois Pilc, Nová sokolovna v Kojetíně, Kojetínské hlasy II, 3. 9. 1928, S. 6. Rostislav Švácha (Hg.), Naprej!: česká sportovní architektura 1567-2012, Praha 2012, S. 14. QUELLEN Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov. Architektonická centra a periferie (Magisterarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2018. Ivana Láníková, Sokolovna jako fenomén Gesamkunstwerku, in: Zprávy památkové péče 77/2017/4, S. 442-450. Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und -Geschichte FFUP, Olomouc 2004. MUO [Kunstmuseum Olmütz], A 1504–1518. Fotografien von Plänen sowie dem umgesetzten Bau als zeitgenössische Präsentation des Schaffens vom Baumeister Alois Pilc. SOkA [Staatliches Bezirksarchiv] Přerov, Pamětní kniha Kojetína [Das Gedenkbuch von Kojetín], S. 121. Petra Poláková-Uvírová, Kojetínské sokolovně se navrací původní vzhled z první republiky, Přerovský deník cz, 21. 3. 2019. Online zugänglich: https://prerovsky.denik.cz/zpravy_region/kojetinske-sokolovne-se-vraci-puvodni-vzhled-z-prvni-republiky-20190320.html (abgerufen am 21. 10. 2023). Detaillierte Beschreibung der Sanierung der Sokol-Turnhalle in den Jahren 2018–2019. Online zugänglich: http://www.technis.kojetin.cz/rekonstrukce-2018-2019 (abgerufen am 5.1. 2024) http://www.technis.kojetin.cz/file.php?nid=15079&oid=7230271 (abgerufen am 5.1. 2024) Pavel Michalec, Bývalá sokolovna Kojetín. Online zugänglich: