Familienhaus von Augustin Fric

Hranice

Das Familienhaus des Oberstleutnants und Kriegers aus den russischen Legionen Augustin Fric, dessen Umsetzung sich wegen der Kriegsereignisse fast zehn Jahre hinzog, weicht durch seine traditionalistische Auffassung mit seinem Stil von dem Schaffen des führenden Repräsentanten des mährischen Funktionalismus deutlich ab. Als würde hier Lubomír Šlapeta einerseits die organischen, andererseits die durch Rustikalität „schwer gewordenen“ Tendenzen vollenden, die bei seinen ausgewählten sowie weniger bekannten Projekten verfolgt werden können. Das Haus der Familie Fric beeindruckte mit seiner romantisierenden Gestalt einen nicht geringen Teil der hiesigen Klientel und wurde kurz darauf von den Baumeistern in Hranice mit Vorliebe variiert. 

Das ursprüngliche Projekt von 1939 wurde im Hinblick auf den zu der Zeit immer noch gültigen Bebauungsplan der Stadt von 1928 konzipiert. Im Jahre 1946 wurde er durch den Bebauungs-regulierenden Plan der Stadt Hranice vom Brünner Architekten Bohumil Babánek ersetzt, wo die weitreichenden Grundstücke der Familie Fric am Abhang des Felsens Bílý kámen in der Kurzone geführt waren. Es wurde die geeignetste Stelle ausgewählt und 1947 stellte Šlapeta einen neuen Entwurf vor; die Lokalität hinter der Stadt in unmittelbarer Nähe des Kurortes brachte den Architekten zur markant romantisierenden Auffassung. Das Resultat war ein auf die Volksarchitektur anknüpfendes Villenflachhaus, das jedoch auf dem Nachlass des Funktionalismus beruhte, der sich hier besonders in der Disposition äußert. 

Im Zusammenhang mit diesem Familienhaus spricht Tomáš Pospěch vom Traditionalismus in der Architektur, einem Begriff, der gewöhnlich mit der tschechischen Literatur der 1930er Jahre verbunden wird. Das Walmdach mit geräumigem bewohnbaren Dachgeschoss, runde Form des Dachfensters, der in eine Säule eingeleitete Eingangsbogen, grober Verputz und besonders die Betonung der Farbgestaltung, wie beispielsweise bei der Fassade, für die sandgelbe Töne gewählt wurden, schaffen einen romantisierenden Charakter. Dieser wurde 1977 noch gesteigert, als Šlapeta eine Terrasse und einen steinernen Strebepfeiler zusätzlich entwarf. 

Das Wohnzimmer verknüpfte Šlapeta mit dem Speisezimmer in einen L-förmigen Raum mit einem beide Zimmer miteinander verbindenden Eckkamin. Das machte Durchsichten durch die Wohnräume möglich, aber auch in den Garten und Aussichten aus den Fenstern auf das von drei Seiten im Tal liegende Hranice.  

Häuser mit evidenten rustikalen Tendenzen, die dem Milieu der Kleinstadt und dem Geist der hiesigen Klientel viel näherstanden, stellten eine gewöhnliche und beliebte Alternative zu den funktionalistischen weißen Würfeln dar. Mit der faschistischen Machtübernahme ahnten bereits sowohl der Investor als auch der Projektant, dass eine Baugenehmigung gerade für ein Dach traditionellen Charakters leichter erworben werden kann als für ein Flachdach, das Symbol der bald untersagten internationalen modernistischen Bewegung.  

Von einer außergewöhnlichen Beliebtheit des rustikal aufgefassten Familienhauses zeugt die Produktion der hiesigen Ortsbaumeister aus den 1950er und 1960er Jahren, in der die mannigfaltigsten Varianten oder Kopien der Villa von Fric häufig vertreten sind. Der letzte Beitrag zu dieser Serie war das Haus von Ladislav Zela wieder in der Straße Pod Bílým kamenem aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Die meisten dieser Bauherren verletzten jedoch die ursprünglichen Proportionen des Hauses, vernachlässigten die gefühlsvolle Beziehung zum Gelände, ließen die einzelnen Details sowie die Farbe des Verputzes abändern und vereinfachten die Gesamtkonzeption zugunsten eigener praktischer Bedürfnisse. 

Das Familienhaus von Augustin Fric steht seit 1995 unter Denkmalschutz als eines der Objekte aus dem wertvollen in Mähren umgesetzten Entwurfskomplex von Lubomír Šlapeta. 

LJ (Übersetzung HJM)


 

 

Literaturauswahl

Tomáš Pospěch, Hranice, Teplice nad Bečvou a okolí. Architektura 1815–2018, Hranice 2018, S. 162–163.

Petr Pelčák – Vladimír Šlapeta – Pavel Zatloukal et al., Lubomír Šlapeta 19081983, Čestmír Šlapeta 19081999: architektonické dílo (Ausstellungskatalog), Muzeum umění Olomouc – Spolek Obecní dům Brno 2003.

Tomáš Pospěch, Hranická architektura 1815–1948, Hranice 2000.

Tomáš Pospěch, Šlapetova pozdně ruralistická vila v Hranicích, Prostor Zlín, 1999, Nr. 4, 5, 6, S. 57–59. 

 

Quellen

Rodinný dům, Památkový kataloghttps://www.pamatkovykatalog.cz/rodinny-dum-19037286, vyhledáno 23. 1. 2024.