Der Architekt Alois Pilc stellt eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der Přerover Region der Zwischenkriegszeit dar. Neben seiner Baupraxis, in der durch ihre Häufigkeit sowie ihr architektonisches Niveau besonders die Sokol-Turnhallen herausragen, realisierte er sich auch als Bühnenbildner im Přerover Amateurtheaterverein Tyl. In der lokalen Tagespresse veröffentlichte er kurze sein eigenes Schaffen, aber auch das architektonische Geschehen in der Umgebung reflektierende Texte. Er erscheint somit als einmaliger Vertreter der Architekturkritik und –Theorie an der Peripherie.
Das Schicksal hatte den aus der ostböhmischen Gemeinde Bílý Újezd gebürtigen Alois Pilc nach Mähren verschlagen, wo er zunächst während der Kriegsjahre an der k. k. Tschechischen technischen Hochschule Franz Josephs in Brünn studierte (wegen der Kriegsereignisse konnte er sein Studium nicht abschließen, den Grad Ing. arch. durfte er jedoch dank ministerieller Ausnahme verwenden). Danach siedelte er nach Přerov um, um dort Projektant und Bautechniker im Bauunternehmen seines Onkels Josef Pilc zu werden. Die Familie Pilc war mit dem Bauwesen in der Přerover Region übrigens allgemein verbunden; in der Branche waren außer Alois´ Onkel auch seine beiden Brüder tätig – Jaroslav Jan als Bauschlosser, Václav als Maurermeister – sowie sein Cousin Bořivoj als Bauassistent im Unternehmen seines Vaters.
Bereits vom Anfang seines Wirkens im Unternehmen an hatte er relativ freie Hand, und somit erwies sich sein Einfallsreichtum gleich bei den ersten Umsetzungen in Přerov. Jenseits der Grenzen der Residenzstadt setzten sich die ersten Projekte von Pilc im zweiten Drittel der 1920er Jahre durch, und zwar dank den – in der Zukunft sehr beliebten – Aufträgen für Sokol-Turnhallen. 1926 wurden die Sokol-Turnhallen in Kojetín und Lipník nad Bečvou gebaut, im selben Jahr erhielt sein Entwurf für Hulín den dritten Platz, er wurde jedoch nie umgesetzt. Ein Jahr später beteiligte sich Pilc auch am Wettbewerb für die Sokol-Turnhalle in Přerov, wegen anderen Aufträgen schaffte er es jedoch nicht das Projekt rechtzeitig abzugeben. 1930 baute er die Sokol-Turnhallen in Hranice na Moravě, Uherský Brod und im slowakischen Topol´čany auf, ins Jahr 1934 wird die Sokol-Turnhalle in Vlkoš datiert.
1930 übernahm er die Leitung in der Firma seines Onkels; das Unternehmen gedieh aber nicht. Der Architekt gründete 1932 sein eigenes Büro und widmete sich öffentlichen sowie privaten Aufträgen. Unter diesen ragt besonders der Komplex der Přerover Villen im Umfeld des neu entstandenen Parks Michalov hervor (Villa des Ehepaars Henik, Villa der Nachkommen von Stanislav Feit usw.). Für diesen Stadtteil bearbeitete Pilc auch als Hauptprojektant einen Entwurf für das Areal der berühmten Mittelmährischen Ausstellung (1936).
Aus Sicht des Stils erfuhr das Schaffen von Pilc in der Zwischenkriegszeit eine auf zentrale Impulse reagierende fließende Entwicklung von den Nachhallen der Moderne von Kotěra, des Kubismus und Rondokubismus, bis zu ihren puristischen Variationen, gelegentlich auch mit Elementen der holländischen Architektur des Konstruktivismus. Auf gewisse dekorativistische Tendenzen verzichtete er jedoch nicht einmal in seinem auf den Funktionalismus orientierten Hauptschaffen.
Seit der Mitte der 1920er Jahre engagierte er sich in der Politik, im Sokol-Verein, er war Mitbegründer des Vereins für den Heimatschutz in Hranice und war auch als Bühnenbildner im Přerover Amateurtheaterverein Tyl tätig. Pilc verfasste im Rahmen des zehnten Jahrgangs des Amateurtheaterfestivals Das Theater-Hronov einen Vortrag über Bühnenbildnerei, der anschließend in Buchform veröffentlicht wurde. Das schmale Handbuch mit dem Titel Práce výtvarníkova [Die Arbeit des bildenden Künstlers] sollte den Theateramateuren helfen, die bisherigen Erkenntnisse aus der Theorie und Praxis der bildenden Bühnenkunst kennenzulernen und zu begreifen. Seine weiteren Texte, diesmal bereits über Architektur, veröffentlichte Pilc in der lokalen Presse (Obzor, Naše Haná, Kojetínské hlasy). Sie reflektierten das architektonische Geschehen in der Umgebung oder sein eigenes Schaffen. Er kann also für eine bedeutende und vereinzelte Persönlichkeit auf dem Gebiet der Architekturtheorie gehalten werden, denn mit dem Verfassen von Texten über Architektur beschäftigten sich meist Architekten der großen Städte (Pavel Janák, Bohuslav Fuchs u.a.).
Der zweite Weltkrieg stoppte den Lauf des alltäglichen Lebens, und somit ließ auch die Projektierungstätigkeit von Pilc nach. Um die Wende von den 1930er zu den 1940er Jahren brachte er lediglich die halbfertigen Projekte der Villen zu Ende. Nach dem Kriegsende fügte Pilc sich als einer der ersten aktiv in die öffentliche politische Tätigkeit ein. Er war Mitglied der Tschechoslowakischen Sozialistischen Partei, zwischen 1946–1954 bekleidete er als deren Repräsentant den Posten des Abgeordneten im Přerover Städtischen Nationalausschuss, wo er gleichzeitig Mitglied und Vorsitzender der Baukommission war. Er kümmerte sich auch um Angelegenheiten aus dem Kulturbereich. Zu Beginn des Jahres 1946 wurde Pilc in den Ausschuss des Bezirksvolksbildungsrates gewählt, wo er den Posten des Vorsitzenden der Sektion für den Bau von musterhaften Gemeinden bekleidete. In demselben Jahr gehörte er der Vertrauenskommission für die Auswahl eines neuen Regulierungsplans von Přerov an.
Nachdem das Unternehmen von Pilc in Volkseigentum übergegangen war, wechselte er in das neu entstandene staatliche Projektinstitut Stavoprojekt, denn er wollte auch weiterhin in seinem Beruf tätig sein. In dessen Auftrag übernahm er in demselben Jahr die Bauüberwachung des Baus der Přerover Maschinenfabriken. 1952 wurde Pilc Vertreter des Leiters der Projektzentren in dem neu gegründeten Institut Chemoprojekt, für welches er Untersuchungen der mährischen Städte durchführte, neben Přerov handelte es sich beispielsweise um Šumperk, Litovel und Štíty.
Die 1958 durchgeführten politischen Überprüfungen verursachten wahrscheinlich auch den beschleunigten Abgang von Pilc in den Ruhestand. Es kann angenommen werden, dass er als ehemaliger Unternehmer und Sozialdemokrat gezwungen war, seinen Arbeitsposten im Chemoprojekt zu verlassen. Wegen ernster Gesundheitsbeschwerden entfernte er sich allmählich auch seiner politischen und öffentlichen Tätigkeit. Er starb 1965 in Přerov.
IM (Übersetzung HJM)
LITERATUR
Ivana Láníková, Architekt Alois Pilc a Přerov, in: Jan Janák – Jan Jeništa – Klára Jeništová et al., Kapitoly z výtvarné kultury města Přerova: Architektura, výtvarné realizace, design, Přerov 2016, S. 24–37.
MM [Martina Mertová], Vila Jindřicha Lančíka, in: Pavel Zatloukal (Hg.), Slavné vily Olomouckého kraje, Brno 2011, S. 137–138.
Tomáš Pospěch, Hranická architektura 1815–1948, Hranice 2000.
Alois Pilc, Práce výtvarníkova, Přerov 1946.
QUELLENAUSWAHL
Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov. Architektonická centra a periferie (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2018.
Ivana Láníková (Málková), Architekt Alois Pilc a Přerov. Architektura jako scéna (Bachelorarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2015.
Daniela Kaňáková, Architektura a urbanismus Lipníku nad Bečvou v letech 1900–1950 (Bachelorarbeit), Lehrstuhl für Kunstgeschichte FFUP, Olomouc 2011.
Martina Horáčková, Architektura střední Moravy, 1918–1945: Přerov, Kroměříž, Bystřice pod Hostýnem, Holešov, Kojetín (Diplomarbeit), Lehrstuhl für Kunsttheorie und –Geschichte FFUP, Olomouc 2004.
Kunstmuseum Olmütz
Nachlass von A. Pilc, Fonds A 1481–1536.