Der Architekt und Pädagoge, aber auch literarisch tätige Wissenschaftsarbeiter Karel Caivas schrieb sich besonders als Spezialist für Wirtschafts- und Industriebauten in die Architekturgeschichte ein; einen nicht unbedeutenden Platz in seinem Schaffen nehmen auch Umsetzungen für das Wohnen ein, unter denen der relativ geschlossene mährische Komplex in Teplice nad Bečvou und Hranice lange Zeit vergessen war.
Der aus dem ostböhmischen Lanškoun (deutsch Landskron) gebürtige Caivas studierte zwischen 1916–1923 an der Hochschule für Architektur und Hochbau der Tschechischen Technischen Universität in Prag; sein Interesse am Bereich der Wirtschaftsbauten verrät schon während seiner Studienjahre sein Erfolg von 1921, als er noch als Hörer den ersten Preis im öffentlichen Wettbewerb für einen Mustertyp eines kleinen landwirtschaftlichen Anwesens erhielt. Er wird auch als Schüler von Jan Kotěra angegeben, aber an der Architekturschule der Akademie der Bildenden Künste in Prag war er nicht eingeschrieben. In den Jahren 1923–1937 war er als Assistent des Professors Theodor Petřík an der Hochschule für Wirtschafts- und Forstingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität tätig und gleichzeitig wirkte er auch selbstständig als Mitarbeiter in Petříks Büro. 1934 erhielt er das tschechoslowakische Patent für die Getreidetrocknungsart in Kornspeichern mit Behältern für das Getreide. Gemeinsam mit seinem Prager Kollegen Vladimír Weiss beschickten sie oft Architekturwettbewerbe, beispielsweise den Wettbewerb für Mustertypen der Mietshäuser mit den kleinsten Wohnungen (1925), in dem sie einen ersten und drei zweite Preise gewannen, oder den Wettbewerb für die architektonische Gestaltung eines Teiles der Exposition des Pavillons der Tschechoslowakischen Republik in Paris (1935–1936).
Obwohl er in seinen zahlreichen Projekten von Wirtschaftsobjekten (mehr als 55 Projekte) besonders die Fragen von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Konstruktionen und des Betriebes im Auge behielt, zeichnete sich jedes seiner Bauwerke durch einen hohen Kunststandard aus, und zwar auch im Falle von solch utilitaristischen Typen wie z. B. Getreidesilos (Sedlčany, Brandýs nad Labem) oder Frachtbahnhöfen (Prag-Žižkov). Eine geschlossene Entwicklung des architektonischen Stils würde man in seinem Schaffen aber nur schwerlich suchen. Einige der zahlreichen Prager Umsetzungen, die er meist gemeinsam mit Weiss entwarf, nähern sich in ihrem Stil zwar einer nüchternen bis zu asketischen Lage des Funktionalismus, andere – besonders jene, welche Caivas selbst außerhalb Prags entwarf – verfügen im Gegenteil dank der Anwendung vom Walmdach mit einem deutlichen Überstand, robusten Materialien usw. öfter über einen romantisierenden traditionalistischen, mitunter bis zu ruralen Charakter (Villa von F. Poledna in Teplice nad Bečvou, Sommerhaus in Slapy nad Vltavou). Mit den emotiv gestimmten Elementen des zerbrechlichen „weißen“ Funktionalismus (mitsamt den „Flachdächern“) arbeitete er eher vereinzelt (Sokol-Turnhalle in Přerov, Familienhaus von Oskar Stern in Teplice nad Bečvou). Caivas entwarf auch eine Reihe von Interieurs (das Prager Theater in der Unitaria, den Völkerbundpalast in Genf) und Verkaufsstellen; oft arbeitete er mit dem Textilkünstler Antonín Kybal zusammen.
Nach dem zweiten Weltkrieg beschäftigte er sich völlig mit der Problematik der Wirtschaftsbauten. Er war weiterhin an der Hochschule für Wirtschafts- und Forstingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität tätig, 1955 wurde er zum Hauptarchitekten von Agroprojekt ernannt, später ging er ins Forschungsinstitut für Wirtschaftstechnik in Prag-Řepy über. Die Erkenntnisse aus seiner langjährigen Praxis fasste er in der Fachpublikation Stavitelství v potřebách zemědělce [Das Bauwesen im Gebrauch des Landwirts] von 1949 zusammen, der ersten ihrer Art. Er arbeitete an der Entstehung des Naučný slovník zemědělský [Wirtschaftliches Lehrwörterbuch] zusammen. Er veröffentlichte seine Werke aber bereits früher, beispielsweise die Studie Skladování zrna ve světle moderní techniky [Kornlagerung im Lichte der modernen Technik] (1933). Anlässlich seines 80. Geburtstags wurde ihm von der Tschechoslowakischen Landwirtschaftsakademie postum eine goldene Ehrenplakette für seine Verdienste um die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung verliehen.
Und zum Schluss… Wie ist der Name Caivas richtig zu lesen? Mit einer schönen tschechischen Aussprache [cajvas]!
AW (Übersetzung HJM)
Literaturauswahl
PV [Pavel Vlček], Stichwort Caivas, Karel, in: Pavel Vlček – Pavel Zahradník et al., Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, 2. rozšířené a přepracované vydání, Praha 2023, S. 120.
Tomáš Pospěch, Hranice, Teplice nad Bečvou a okolí. Architektura 1815–2018, Hranice 2018, S. 144.
Lukáš Beran – Jan Zikmund, PRO ZRNO: obilní skladiště a sila 1898–1989, Praha 2018.
MM [Martina Mertová], Vila Oskara L. Sterna, in: Pavel Zatloukal (Hg.), Slavné vily Olomouckého kraje, Olomouc 2007, S. 148–149.
Rostislav Švácha, Od moderny k funkcionalismu, Praha 1995, S. 394, 508, 510, 516, 519, 528.
Jiřina Masnerová, Stichwort Caivas, Karel, in: Pavla Vošahlíková et al. (Hrsg.), Biografický slovník českých zemí, 9. Heft (C), Praha 2008, S. 372.
Karel Souček, 70 let arch. Karla Caivase, Zemědělská technika XIII/XL, 1967, Nr. 8, S. 525–526.
Quellen
Industriální topografie. Průmyslová architektura a technické stavby, online: http://www.industrialnitopografie.cz/databaze.php (abgerufen am 4. 10. 2023)
Databáze divadel, online:
https://www.theatre-architecture.eu/cs/db/?personId=1705&theatreId=345 (abgerufen am 18. 7. 2023)
Osobnosti regionů, online: https://www.osobnostiregionu.cz/osoby/956-karel-ing-dr-caivas-1897-1977 (abgerufen am 18. 7. 2023)